US-Armee in Neu-Ulm

Es ist der 5. Dezember 1951. An diesem Mittwoch scharen sich zahlreiche Schaulustige auf dem Neu-Ulmer Bahnhof. Mehrere Sonderzüge bringen die ersten drei amerikanischen Bataillone in die Stadt. Die ziehen in die ehemaligen Wehrmachtsunterkünfte, in die Ludendorff-Kaserne in der Memminger Straße und in die Reinhardt-Kaserne in der Reuttier Straße, ein.

In den folgenden Jahren investiert die US Armee viel Geld in die Infrastruktur der neuen Garnison. Die Ludendorff-Kaserne wird gen Süden mit zahlreichen Unterkunftsgebäuden, Büros, Clubs, einem technischen Bereich sowie einer Kirche erweitert. Die GIs geben der auf rund 80 Hektar angewachsenen militärischen Liegenschaft den Namen Wiley Barracks (Foto oben). Aus der 15 Hektar großen Reinhardt-Kaserne, die ebenfalls einen neuen technischen Bereich erhält, werden die Nelson Barracks.

Im Stadtteil Vorfeld entstehen rund 600 Wohnungen mit Kindergarten, Schule, Jugendhaus, Tankstelle und Einkaufsläden für die Soldaten und deren Familien. In Offenhausen, auf einem Teil des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes, eröffnet das Supply Center (Versorgungszentrum) seine Pforten, in Schwaighofen wird der ehemalige Flugplatz der Wehrmacht reaktiviert.

In den Illeraun in Ludwigsfeld beschlagnahmt die US Armee zudem den Schießplatz, in Neu-Ulm in der Paulstraße das Offizierscasino. Zu Spitzenzeiten leben in der Stadt mehr als 9000 Soldaten und rund 2000 Familienangehörige. Knapp 500 Zivilangestellte aus der Region sorgen dafür, dass es den Amerikanern an nichts fehlt.

Im November 1961, zehn Jahre nach der Gründung der US Garnison, zieht die „Südwest Presse“ Bilanz: „Seitdem die Amerikaner hier wohnen und ihren Dienst tun, haben sie Waisenhäuser unterstützt und Taxi-Fahrer überfallen, sie haben unzählige Kinder mit ganzen Bergen von Süßigkeiten und Spielsachen zu Weihnachten erfreut und Frauen auf offener Straße belästigt. Sie haben nicht gezögert, ihre technische Hilfeleistung beim Wiederaufbau beider Donaustädte einzusetzen und sich in Wirtshäusern mit Gästen und Polizisten geprügelt, sie haben großzügig Geld- und Sachwerte gespendet, wann immer sie darum angegangen wurden, und in den Geschäften ihren Rechnungen schuldig geblieben. Kurz - seitdem Amerikaner hier sind, haben sie sich als Menschen wie du und ich erwiesen.“ Diese Bilanz wird 1971, weil sich nicht viel verändert hat, zum 20-jährigen Bestehen der Garnison im gleichen Wortlaut noch einmal veröffentlicht.

In den folgenden Jahren normalisiert sich das Miteinander in der Stadt. Das bestätigt nicht nur die US Armee, sondern auch die Bevölkerung vor Ort. Es gibt inzwischen gemeinsame Konzerte im Glacis, bunt geschmückte US-Schlauchboote nehmen am Nabada teil, GIs spenden Blut fürs DRK und fahren gemeinsame Übungen mit der örtlichen Feuerwehr. Dank des „Farm Help Program“ greifen US Soldaten Landwirten in den Landkreisen Neu-Ulm und Alb-Donau während der Erntezeit tatkräftig unter die Arme.

Nicht zu vergessen ist die Zusage der US-Armee, dass die Stadt Neu-Ulm die Südtangente (Europastraße) durch die Kaserne bauen darf. Sie trennt Wiley Nord und Wiley Mitte. Die Wiley Barracks sei die einzige US Kaserne auf der ganzen Welt, die durch eine zivile Straßenverbindung in zwei Stücke zerrissen ist, sagt der Standortälteste Colonel James W. Eitel bei der Eröffnung 1981. Die beiden Kasernenareale sind jetzt über eine Brücke verbunden. So können die Soldaten von einer auf die andere Seite, ohne amerikanisches Territorium verlassen zu müssen.

Am 22. Oktober 1983 macht die Neu-Ulmer US-Garnison Schlagzeilen in der ganzen Welt. Aus Protest gegen die Nachrüstung der Nato gehen im Südwesten Deutschlands rund 300 000 Menschen auf die Straße. Sie demonstrierten gegen Atomraketen und bilden eine 108 Kilometer lange durchgehende Menschenkette von den Wiley Barracks bis zum United States European Command (USEUCOM) in Stuttgart. In Neu-Ulm lagern seit 1968 Pershing-Raketen.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Fall des Eisernen Vorhangs zeichnet sich eine Schließung der Neu-Ulmer Garnison ab. Nach und nach werden die Pershings abgezogen. „In Neu-Ulm lagern keine Atomraketen mehr“ schreibt am 15. März 1991 die „Südwest Presse“. Rund vier Monate später, am 26. Juli 1991, endet die Geschichte der amerikanischen Garnison in Neu-Ulm mit dem Niederholen der „Stars and Stripes“-Flagge.

Bis Ende September 1991 bleibt noch ein zahlenmäßig kleines Nachkommando in den Nelson und Wiley Barracks, um die militärischen Liegenschaften besenrein an das Bundesvermögensamt zu übergeben. Am 1. Oktober 1991 sind auf einen Schlag sechs Areale mit einer Gesamtfläche von mehr als 140 Hektar in der Neu-Ulmer Kernstadt, in Ludwigsfeld, in Offenhausen und in Schwaighofen frei.


Einstige US-Kasernen in Neu-Ulm

Reinhardt-Kaserne / Nelson Barracks

Reinhardt-Kaserne / Nelson Barracks

Stationierungszeitraum 1951 bis 1991

Aktuell Heute Standort von Behörden und Firmen.

Historie Die Kaserne an der Ecke Reuttier Straße /Finninger Straße wurde 1934 gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten dort Auswanderer und Flüchtlinge. 1951 übernahm die US-Armee die militärische Anlage, die sie bis Mitte 1991 nutzte. Heute sind in den umgestalteten Unterkunftsgebäuden das Finanzamt und die Polizei. Außerdem die Feuerwehr sowie Gewerbetreibende, der TÜV, Vereine und Kletterer.

Ludendorff-Kaserne / Wiley Barracks

Ludendorff-Kaserne / Wiley Barracks

Stationierungszeitraum 1951 bis 1991

Aktuell Teile der Kasernenanlage existieren nicht mehr.

Historie 1936 wurde die Ludendorff-Kaserne gebaut. Von Mitte 1945 an diente das Areal als Entlassungs- bzw. Durchgangslager für deutsche Kriegsgefangene, dann als vorübergehendes Quartier für „Displaced Persons“. 1951 entstanden dort die Wiley Barracks, die 1991 geschlossen wurden. Inzwischen steht auf der rund 80 Hektar großen Konversionsfläche ein Wohngebiet sowie die Hochschule Neu-Ulm.

Army Airfield Schwaighofen

Army Airfield Schwaighofen

Stationierungszeitraum 1952 bis 1983

Aktuell Aus dem Flugplatz wurde ein Gewerbegebiet.

Historie Der Flugplatz in Schwaighofen, einem Stadtteil von Neu-Ulm, wurde 1930 ins Leben gerufen. Im Frühjahr 1952 reaktivierte die US Armee das Gelände zum "Ulm Army Airfield", das bis in die 1980er-Jahre in erster Linie von Hubschraubern genutzt wurde. Parallel dazu durften private Segel- und Motorflugzeuge von Neu-Ulmer Vereinen bis 1998 starten und landen.